Kirchliche Organisationen und NROs schreiben Offenen Brief an die Bundesregierung
"Der Schutz und die Garantie der Menschenrechte sollten zum Eckpfeiler des Friedensprozesses in Kolumbien werden", mahnte die UN-Hochkommissarin Mary Robinson am 17. April vor der UN-Menschenrechtskommission. Trotz der Bemühungen von Präsident Pastrana, eine Verhandlungslösung des bewaffneten Konfliktes zu erzielen, eskalieren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in diesem südamerikanischen Land. Nach Daten der Kolumbianischen Juristen-Kommission kamen im vergangenen Jahr im Schnitt 20 Menschen am Tag infolge von politisch motivierter Gewalt und des bewaffneten Konfliktes ums Leben. Die wenigsten - statistisch nur 25 % - starben infolge kriegerischer Auseinandersetzungen. 75% wurden zu Hause, auf der Straße oder bei der Arbeit getötet oder zum Verschwinden gebracht. Ziel der Gewalt sind vornehmlich Zivilist/innen. Jeden dritten Tag wird in Kolumbien ein Gewerkschafter oder eine Gewerkschafterin umgebracht. Besonders gefährdet sind auch Mitglieder von Menschenrechts- und sozialen Organisationen. In Kolumbien ist es lebensgefährlich, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren und sich für einen Frieden mit Menschenrechten einzusetzen.
Auch unsere Partnerorganisationen und die von uns unterstützten Projekte sind immer mehr und immer dramatischer von der sich verschärfenden Kriegs- und Menschenrechtssituation betroffen. Am meisten leidet die Landbevölkerung, darunter viele indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften. Sie leben in abgelegenen, aber ressourcenreichen und militärstrategisch wichtigen Landesteilen. Oft werden dort auch illegale Drogen angebaut. Die Übergriffe von Militär, rechtsextremen paramilitärischen Milizen und Guerilla zwangen allein 300.000 Menschen letztes Jahr zur Flucht. In Kolumbien gibt es derzeit über zwei Millionen Binnenflüchtlinge, die sich in einer desolaten und schutzlosen Situation befinden. Immer mehr Menschen fliehen über die Grenzen, in die Nachbarländer Ecuador, Panama und Venezuela.
Beispiel der verzweifelten Situation der Landbevölkerung ist das Karwochen-Massaker an Indios und Schwarzen in dem Anden-Dorf Alto Naya in der südwestlichen Cauca-Provinz. Wie viele andere, war dies ein angekündigtes und voraussehbares Massaker. Mindestens 37 - vermutlich jedoch bis zu hundert - Menschen wurden auf bestialische Art von Paramilitärs umgebracht. Sie wurden mit Macheten niedergemetzelt oder lebendigen Leibes mit Hilfe von Kettensägen zerstückelt. Welche Konsequenzen hat es, wenn die Mörder und ihre Hintermänner nicht zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden? Welche Zukunft gibt es für die kolumbianische Gesellschaft und den kolumbianischen Staat, der diese Menschenrechtsverletzungen toleriert und seine Schutzverpflichtung gegenüber seiner eigenen Bevölkerung nicht einlöst? In dem Bericht, den die UN-Hochkommissarin Mary Robinson der 57. UN-Menschenrechtskommission vorlegte, wird erneut und eindringlich auf die Beziehungen zwischen Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte und den paramilitärischen Verbänden hingewiesen. Letztere sind für ca. 80 Prozent der Menschenrechtsverbrechen verantwortlich.
Die Bundesregierung hat sich gemeinsam mit der Europäischen Union von der Unterstützung des sogen. Plan Colombia distanziert. Die US-Militärhilfe, die Kolumbien innerhalb dieses Programms gewährt wird, trägt zur Verschärfung des bewaffneten Konfliktes und zu noch mehr Leid der Zivilbevölkerung bei. Außerdem reproduziert der sogen. Plan Colombia eine verfehlte und gescheiterte Drogenbekämpfungsstrategie. Infolge der massiven Herbizidbesprühungen aus der Luft wurden bereits viele Bauernfamilien zur Abwanderung gezwungen. Die Chemikalien zerstören nicht nur die Drogenfelder, sondern auch Nutzpflanzen. Das Wasser wird vergiftet und das fragile Ökosystem des Amazonas-Regenwaldes und des Andenhochwaldes aus dem Gleichgewicht gebracht.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der EU mit Kolumbien eine sozial orientierte "Zusammenarbeit für den Frieden" anstrebt. Kolumbiens bewaffneter Konflikt und der Drogenanbau haben soziale Ursachen. Soziale Probleme können nur soziale, nie militärische Lösungen haben.
In Sorge wegen der kritischen Lage unserer Partnerorganisationen haben wir als deutsche Nicht-Regierungsorganisationen um ein persönliches Gespräch mit Präsident Pastrana gebeten und eine Menschenrechts-Agenda vorgeschlagen. Mit dem Verweis auf Zeitgründe wurde dieses Gespräch abgelehnt.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei ihren Gesprächen mit der kolumbianischen Regierung unsere Sorgen zu eigen zu machen und mit Priorität zu fordern:
Wir erwarten von der Bundesregierung,
Unterzeichnet von:
action pro colombia e.V.
Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V.
Brot für die Welt
Deutsche Kommission Justitia et Pax
Deutscher Caritasverband
Eine-Welt-Laden Emden
Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.
Informationsstelle Lateinamerika e.V.
Kolumbienkoordinationsgruppe von amnesty international
Kolumbiengruppe Berlin
Koordination "Gerechtigkeit und Frieden" der mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen
Missionszentrale der Franziskaner e.V.
pax christi - Deutsche Sektion
terre des hommes Deutschland e.V