Zum Tag der Weltbevölkerung am 9. Juli hat die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in mehreren Tageszeitungen eine Anzeige veröffentlicht. Sie zeigt einen leeren Teller, der von einer großen Zahl von Löffeln umlagert ist. Dazu heißt es: "Jede Sekunde wächst die Erde um drei Menschen. Und die Probleme wachsen mit. Vor allem in Entwicklungsländern: Armut, Hunger, Wassermangel. Fördern wir Familienplanung, bevor es zu spät ist."
Der Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Ulrich Pöner, erklärt zu dieser Anzeige:
1. In Übereinstimmung mit dem Aktionsplan, den die Kairoer Weltbevölkerungskonferenz 1994 verabschiedet hat, haben die entwicklungspolitischen Organisationen in Deutschland bisher übereinstimmend daran festgehalten, dass das starke Wachstum der Weltbevölkerung eine wichtige, aber keineswegs die alleinige oder hauptsächliche Ursache für die wirtschaftliche und soziale Krise in den Entwicklungsländern und für die globalen Umweltprobleme darstellt. Diese Einschätzung ist wissenschaftlich umfassend abgesichert. Mit ihrer Zeitungsanzeige kündigt die DSW diesen Konsens auf. Bewusst erweckt die Stiftung den Eindruck, das Bevölkerungswachstum sei der alles bestimmende Grund für die Krisenphänome in der "Dritten Welt". Hier wird - aus erkennbar propagandistischer Absicht - ein landläufiges Vorurteil bestärkt. An die Stelle von Aufklärung tritt die Verschleierung komplexer Wirkungszusammenhänge.
2. Die Anzeige der DSW kennt nur ein Mittel gegen das hohe Bevölkerungswachstum: die Förderung der Familienplanung. Diese Forderung ist nicht falsch, aber völlig einseitig. Experten und internationale Organisationen wissen: Nur eine integrierte Strategie kann den Anstieg der Bevölkerungszahlen dämpfen. Ein solches Konzept muss Armutsbekämpfung, Frauenförderung, Bildung und Programme einer umfassend verstandenen "reproduktiven Gesundheit" (inclusive Familienplanung) zusammenführen.
3. Bevölkerungspolitik ist ein hochsensibler Politikbereich. Wer die zum Alarmismus neigende Stimmung in der westlichen Öffentlichkeit befördert und sich einer nicht nur simplifizierenden, sondern demagogisch-verzerrenden Darstellung befleißigt, dient dem Anliegen einer humanen Bevölkerungspolitik nicht. Er wird zu deren Gegner.