70 % der Oberfläche unserer Erde, des blauen Planeten, sind mit Wasser bedeckt. Hier hat das Leben seinen Ursprung, und hier lebt eine verblüffende Vielfalt von Meerestieren, die das Gefüge des Lebens, wie wir es kennen, durchstreifen und aufrechterhalten. Meere und Flüsse sind eine Nahrungsquelle für den Menschen, und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen hängt vom Zustand unserer Meere ab. Doch dieses ausgewogene Ökosystem wird durch den Menschen und sein Tun zunehmend gefährdet. Im Mai 2019 organisierte die Konferenz der Europäischen Justitia et Pax-Kommissionen gemeinsam mit Delegierten des Apostolats der Meere, des Dikasteriums zur Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung, der globalen katholischen Klimabewegung und von Justitia et Pax Dänemark eine Konferenz in Kopenhagen, um über die besondere Beziehung des Menschen zum Meer nachzudenken. So erklärte schon Papst Franziskus: „Egoismen und Eigennutz haben aus der Schöpfung, die ein Ort der Begegnung und des Miteinanderteilens sein sollte, einen Schauplatz von Rivalitäten und Auseinandersetzungen gemacht. So ist die Umwelt selbst in Gefahr geraten…” Diese Konferenz veranlasste Justitia et Pax Europa, die konzertierte Aktion 2020 zum Thema „Die Meere als Allgemeingut” durchzuführen.
Der Zustand unserer Meere
Die Auswirkungen unserer Zivilisation auf unsere Meere sind verheerend. Vor allem im vergangenen Jahrhundert wurden unzählige Mengen an Abfall in die Ozeane gekippt. Aus den Augen, aus dem Sinn. Jedes Jahr gelangen etwa 8 Millionen Tonnen Plastik ins Meer. Man schätzt, dass bis 2050 das Gewicht der Fische im Meer geringer sein wird als das Gewicht der darin schwimmenden Plastikteile.Sehr kleine Kunststoffteile, Mikroplastik genannt, sind besonders schädlich, da sie sehr schwer einzusammeln sind und von Fischen leicht mit Nahrung verwechselt werden können.
Durch menschliche Aktivitäten an Land, einschließlich der Abholzung, nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken (z.B. pestizidverseuchtes Abwasser) und der Entsorgung von Industrieabfällen auf See gelangen Schadstoffe in den Ozean. Das in die Erdatmosphäre abgegebene Kohlenstoffdioxid dringt in unsere Ozeane ein, führt zur Versauerung und gefährdet die biologische Vielfalt der Meere. Die Verschmutzung durch Abwasser und Landwirtschaft ist die Hauptursache für die massenhaft auftretende Eutrophierung in den Meeren, die zu sauerstoffarmen Totzonen in der Größe ganzer Länder führt, die sich jedes Jahr weiter ausdehnen. Die Überfischung hat zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme geführt - in den ehemals fruchtbaren Fischereizonen wurde das Leben, das dort gedieh, vernichtet. Der weltweite Anteil der Meeresfischbestände auf einem biologisch nachhaltigen Niveau, ist von 90 Prozent im Jahr 1974 auf 69 Prozent im Jahr 2013 gesunken. Die Hochseeschleppnetzfischerei verursacht unbekannte, zahllose katastrophale Schäden an unseren Meeresböden, wobei ganze Ökosysteme, möglicherweise ganze Arten (von denen viele bisher überhaupt noch nicht entdeckt worden sind) durch diese unverantwortliche Praxis ausgelöscht werden. Die Notwendigkeit, konkrete Maßnahmen zum Schutz unserer Meere zu ergreifen, war noch nie so dringend wie heute.
Die humanitäre Frage
Die Gesundheit unserer Meere ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale und humanitäre Frage: „Die Verschmutzung der Umwelt und die menschliche und ethische Degradierung sind eng miteinander verbunden“. Die Umweltverschmutzung und der übermäßige Konsum wirken sich direkt auf die Menschen aus, deren Überleben vom Fischfang abhängt. Darüber hinaus weisen die auf See arbeitenden Menschen eine hohe Sterblichkeitsrate auf, die auf die prekären Bedingungen und häufige Rechtsverstöße im Zusammenhang mit Arbeitsbedingungen und -verträgen zurückzuführen ist. Es wurde auch schon über Fälle von Sklaverei berichtet.
Es ist schwer, das Meer zu erwähnen und nicht an
die Migranten zu denken, die sich auf der Suche nach besseren Lebensräumen aufs
Meer gewagt haben, sei es, um Zuflucht vor Verfolgung, Bedrohung und mangelnder
Sicherheit zu finden, sei es, weil sie nach besseren Arbeits- und
Lebensbedingungen streben. Die zunehmende Umweltzerstörung trägt dazu bei, dass
immer mehr Menschen fliehen, weil sie bessere Lebensumstände suchen. Die
Bemühungen der Rettungsorganisationen, denjenigen zu helfen, deren Leben auf
See in Gefahr ist, müssen unterstützt und gefördert werden.
Wachsendes Bewusstsein
Die Meere sind immer weniger in der Lage, mit dem Übermaß menschlicher Fahrlässigkeit sowie den Aktivitäten der Zivilisation fertigzuwerden; dies ist erschreckend und erregt endlich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Das öffentliche Bewusstsein ist so weit gewachsen, dass in verschiedenen Ländern der Welt aktiv über ein Verbot bestimmter schädlicher Produkte diskutiert wird. Einwegkunststoffartikel, einst kaum beachtet von den Umweltschützern, sind als ein viel beklagtes Produkt unserer Zivilisation in den Vordergrund gerückt. 2019 stimmte das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit für ein Verbot verschiedener Einweg-Kunststoffartikel bis zum Jahr 2021. Im gleichen Jahr – 2021 – 2030 – startet auch die UN-Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung, der schon viele gleichgerichtete Initiativen vorausgingen.
Auch andere internationale Konferenzen und Initiativen streben die Rettung der Meere an. Dazu gehören die Our Oceans-Konferenzen, die jedes Jahr auf globaler Ebene organisiert werden. 2017 wurde diese bedeutende Konferenz erstmalig von der EU in Malta veranstaltet und sie führte zu vielen wichtigen Entscheidungen auf diversen Ebenen. Die EU leistet auch einen Beitrag zur Ocean Governance und führt 50 Maßnahmen für eine sichere, saubere und nachhaltige Bewirtschaftung der Weltmeere auf. Die letzte Our Oceans-Konferenz fand im Oktober 2019 in Oslo, Norwegen, statt. Die Ocean Governance ist eines der Grundprinzipien des Pariser Abkommens, eine Verpflichtung von 185 Parteien, die 2016 unterzeichnet wurde, um den Klimawandel zu bekämpfen und praktische Verpflichtungen für eine kohlenstoffarme Zukunft einzugehen. Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) der Vereinten Nationen hat einen Sonderbericht über die Rolle der Meere beim Klimawandel herausgegeben. Die Rolle des Meeres beim Klimawandel stand auch im Mittelpunkt der Madrider Klimakonferenz im Dezember 2019. Es handelte sich dabei um die 25. Weltklimakonferenz (COP 25).
Justitia et Pax Europa - Konzertierte Aktion
Die Meere sind ein Allgemeingut, und alle haben die Pflicht, dieses auf Dauer zu erhalten. Sauberes und unverschmutztes Wasser ist für den Erhalt des Lebens unerlässlich, und wir müssen sicherstellen, dass unsere Meere sauber und sicher sind. Maßnahmen zur Erhaltung der Meere müssen auf allen Ebenen ergriffen werden, angefangen von der internationalen bis hin zur individuellen Ebene, wenn wir unseren Kindern und uns selbst ein gesundes Meer sichern wollen. So schreibt Papst Franziskus: „Wenn die bloße Tatsache, Mensch zu sein, die Menschen bewegt, die Natur zu pflegen, ein Teil derer sie ja selber sind, stellen ‘die Christen insbesondere […] fest, dass ihre Aufgaben im Bereich der Schöpfung, ihre Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer Bestandteil ihres Glaubens sind‘. Deshalb ist es ein Nutzen für die Menschheit und für die Welt, dass wir Gläubigen die ökologischen Verpflichtungen besser erkennen, die aus unseren Überzeugungen hervorgehen.” Justitia et Pax Europa legt daher für die diesjährige konzertierte Aktion besonderes Gewicht auf ein Engagement auf den folgenden fünf Ebenen.
Maßnahmen auf internationaler Ebene
Ein Engagement der internationalen Gemeinschaft ist erforderlich, um eine wirksame internationale Meerespolitik zu betreiben und für saubere, sichere und gut verwaltete Ozeane zu sorgen. Alle Nationen müssen zusammenarbeiten, sich auf gemeinsame Regeln einigen und bereit sein, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und international zu kooperieren, damit eine nachhaltige Verwaltung und Sicherheit der Ozeane gewährleistet werden kann. Es ist wichtig, dass die Regierungen die Verpflichtungen, die sie bei internationalen Treffen eingegangen sind, einhalten und in ihrem jeweiligen Land umsetzen. Die Sensibilisierung für das Problem und die Förderung von Maßnahmen sollte zwar Anlass zur Hoffnung geben, aber wir sind weit davon entfernt, das Problem wirksam anzugehen. Im Allgemeinen ist das derzeitige uneinheitliche Governance-System für die Meere nicht zufriedenstellend.
Europäische und nationale Ebene
Die Europäische Union und die einzelnen Regierungen der Mitgliedstaaten spielen bei der Erhaltung eines guten Zustands der Meere eine sehr wichtige Rolle, indem sie eine
Politik verfolgen, die auf die wirksame Umsetzung internationaler und europäischer Vereinbarungen abzielt.
Das Meer würde auch von Anreizen profitieren, die darauf abzielen, den Kohlenstoff-Fußabdruck an Land zu verringern.
Ebene der Ortskirchen
So sagt Papst Franziskus: „Unsere Gedanken auf die unermesslichen Weiten des Meeres zu lenken, die in ständiger Bewegung sind, stellt auf gewisse Weise auch eine Möglichkeit dar, um an Gott zu denken, der seine Schöpfung beständig begleitet, indem er sie vorantreibt und sie in der Existenz erhält”.
Gemeinden und Familien
Die Gemeinden können in der Praxis viel für den Schutz der Meere tun. Wir ermutigen die Gemeinden, proaktiv zu sein, um sicherzustellen, dass das Meer angemessen geschützt wird.
Persönliches Engagement
Fazit
„Alle können wir als Werkzeug Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten.” „Wir sind nicht dazu geschaffen, um Einzelwesen zu sein, die sich als Herren aufspielen, sondern wir sind gedacht und gewollt, um inmitten eines Lebensnetzes zu wirken, das aus Millionen von Arten besteht, die von unserem Schöpfer für uns liebevoll zusammengefügt sind”. Die Sorge um unsere Meere liegt in unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen sowie gegenüber zukünftigen Generationen. Wenn wir uns jetzt um die Meere kümmern, ersparen wir künftigen Generationen den Preis, den sie für die Zerstörung dieser reichhaltigen Ressource zahlen müssen. Wir hoffen, dass die 2020 beginnende Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu einem Jahrzehnt des Wandels zum Besseren werden kann.