Die
Grundkoordinaten der politischen Debatte scheinen sich auch in Deutschland zu
verschieben: Demokratie und Menschenrechte, Europa als Garant für eine
Friedensordnung und Ziele verbindlicher internationaler Zusammenarbeit werden
in Frage gestellt. Weltweite Ungleichheit, Klimawandel und steigende Gewaltkriminalität
fordern mutige Antworten von der Politik und der Gesellschaft. Die Lösungen
liegen nicht in einer Abschottung von den Problemen der Welt, sondern nur im entschlossenen
Handeln für diese Welt, die längst unser gemeinsames Haus ist.
Justitia
et Pax steht ein für die Durchsetzung der Menschenrechte, für eine friedliche
und inklusive Gesellschaft und für eine nachhaltige Entwicklung, die allen zu Gute
kommt. Diese Anliegen werden wir, so wie es ihrer Bedeutung auch für unser Land
zukommt, im Wahlkampf 2017 immer wieder auf die Tagesordnung bringen. In sieben
Zwischenrufen für eine gemeinwohlorientierte Politik wollen wir im Wahljahr
2017 die öffentliche Aufmerksamkeit auf die großen Herausforderungen in
Deutschland, in Europa und weltweit lenken.
Die sicht- und spürbaren Folgen der Globalisierung
verunsichern und fordern die eigene Identität heraus. Viele, die sich auf der
Verliererseite sehen, fühlen sich angezogen von populistischen Parolen, die ethnische,
religiöse oder nationale Homogenität als Leitbild für unser Land propagieren. Wohlstandsversprechen,
die darauf aufbauen, dass wir Menschen aus unserer Gesellschaft ausschließen
oder gar auf ihre Kosten leben, sind nicht nur unsolidarisch, sondern auch trügerisch.
Ein gutes Leben für alle, saubere
Luft, Sicherheit und Wohlstand können wir nur erreichen und nachhaltig sichern,
wenn wir das Gemeinwohl an die erste Stelle setzen und zwar das globale
Gemeinwohl. Der Blick über den Tellerrand ist überlebensnotwendig, sowohl in
der Analyse von Bedrohungen und Abwehr von Gefahren als auch im Einsatz für
eine gerechte und friedliche Entwicklung weltweit.
Unsere Sicherheit ist bedroht, aber größere
Sicherheit erreichen wir nicht durch Zäune, Mauern und Abschottung, weder in
den USA noch in Europa, weder kurzfristig noch langfristig. Vielmehr muss es um
integrale Entwicklung gehen, um menschenwürdige Arbeit und Ausbildung weltweit.
Wir müssen über den Friedensauftrag des Grundgesetzes reden und die Umsetzung eines
friedenspolitischen Leitbildes, das Grundlage für die Außen-, die Sicherheits-
und die Entwicklungspolitik sein muss. Wir müssen uns stark machen für eine gute Ausbildung
und Ausrüstung der Soldaten, aber auch für Friedensfachkräfte, für Polizeikräfte
hier und im internationalen Einsatz und alle, die in der Friedensförderung
arbeiten. Es muss uns um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit für alle gehen,
auch für Flüchtlinge und solche,
die bei uns nach einer Zukunftsperspektive für ihr Leben suchen.
Fluchtursachenbekämpfung darf nicht zur Bekämpfung von Flüchtlingen werden. Junge
Menschen in Afghanistan, in Nigeria oder anderen afrikanischen Ländern, aber
auch in der Europäischen Union, wie etwa Rumänien und Griechenland, müssen die
Chance auf qualifizierte Ausbildung und menschenwürdige Arbeit haben, so dass
sie sich und ihre Familien davon ernähren können. Diese Themen müssen die
internationale Debatte leiten, nicht die Frage nach einer möglichst wirksamen
Abwehr von Menschen.
Mit der Agenda 2030 und den
nachhaltigen Entwicklungszielen hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet,
ihre Politik regional, national und international auf nachhaltige Entwicklung
auszurichten. Mit der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich Deutschland richtigerweise
an die Umsetzung dieser Ziele gebunden. Wir werden im anstehenden Wahlkampf daran
erinnern. In fairem Konsum, fairer Beschaffung und ethischem Investment z.B.
setzen wir uns für Gerechtigkeit und Frieden ein. Wir erwarten, dass die Politik
ihren Teil tut, um gerechte Welthandelsbedingungen, menschenwürdige Arbeit,
soziale- und ökologische Mindeststandards durchzusetzen.
Wir rufen die politischen Parteien in
Deutschland dazu auf, mit Sachargumenten für ihre Positionen zu werben. Wir
stellen uns gegen einen Wahlkampf zu Lasten von Minderheiten, wir sprechen uns
aus gegen Diskriminierung und rassistische Hetze. Der Hass von Wenigen darf nicht
die Atmosphäre der gesamten politischen Debatte bestimmen und Extremismus, Aggression
und Feindschaft unter uns verbreiten. Politische Debatten sollen sachlich klar
und respektvoll im Umgang miteinander ausgetragen werden. Argumente zur Sache
und nicht Diffamierung der Personen müssen die Auseinandersetzung prägen.
Deshalb werden wir uns in diesem
Wahljahr 2017 mit „Zwischenrufen“ zu wichtigen/ brennenden Themen zu Wort
melden und laden zur Auseinandersetzung ein.
Bonn, Trier, den 01. März 2017
Bischof Dr. Stephan Ackermann
Vorsitzender der Deutschen Kommission
Justitia et Pax
Professor Dr. Thomas Sternberg
Präsident des Zentralkomitees der
deutschen Katholiken
Hinweise:
Den Gesamttext des „Zwischenrufs“ finden Sie ab sofort regelmäßig
monatlich auf katholisch.de. Außerdem wird er über den Facebook-Kanal von
katholisch.de zur Diskussion gestellt.
Den ersten Zwischenruf finden Sie hier